Woran man nach Kant die „Verrücktheit“ eines Menschen erkennt
In seiner Anthropologie bezeichnet Kant den Verlust des Gemeinsinns (sensus communis) und den an seine Stelle tretenden logischen Eigensinn (sensus privatus) als das „einzige allgemeine Merkmal der Verrücktheit“. Der Gemeinsinn hingegen erlaubt es uns, unsere Meinungen allgemein mitteilbar zu machen. Wer sich um die Bedingungen der allgemeinen Mitteilbarkeit nicht schert und seine eigenen Vorstellungen nicht mehr mit denen der anderen abzugleichen bereit ist, der verabschiedet sich aus der gemeinsamen Welt und zieht sich in eine eigene, alternative Wirklichkeit zurück, die er gegebenenfalls noch mit einigen Gleichgesinnten, nicht mehr aber mit der Allgemeinheit teilen kann.
Als Gegenmittel formuliert Kant die drei Maximen der vorurteilsfreien, der erweiterten und der konsequenten „Denkungsart“: Wir sollen kritisch gegenüber Vorurteilen sein, die Urteilskraft anderer als ein grundsätzliches Korrektiv unserer eigenen Urteile anerkennen und uns selbst nicht widersprechen. Ein liberales Gemeinwesen lebt davon, daß eine solche Denkweise entsprechend kultiviert wird, und sieht sich bedroht von jeder Ideologie, die ihren Eigensinn gegen den Gemeinsinn abschottet.
Referent: Prof. Dr. Ralf Becker | Professor für Philosophie an der RPTU in Landau
In Kooperation mit der Kieler Kant-Gesellschaft.
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Rahmendaten
- Professor für Philosophie an der RPTU in Landau : Prof. Dr. Ralf Becker